Nur Wasser. Wie wir.
Meer. Tag. Möwen.
MANN:
So. Jetzt warten wir. Man wird uns schon
finden.
FRAU:
Man wird uns bestimmt finden.
MANN:
Die Meere sind heutzutage so befahren, so überfüllt, überall
kreisen Hubschrauber ...
FRAU:
Da kreisen Seemöwen.
MANN:
Der Schiffsverkehr hat ungeheure Ausmaße
angenommen. Vergnügungsschifffahrt, Kreuzschifffahrt,
Fischfangflotten, legale und illegale ...
FRAU:
Und Kriegsschiffe.
MANN:
Genau. Tanker. Minensucher. U-Boote, Taucher,
Tiefseeforscher ...
FRAU:
Jetzt ist es nur mehr eine Möwe.
MANN:
Wir betrachten es als Urlaub. Abenteuerurlaub
ohne Zusatzkosten für die Extragefahr.
FRAU:
Immerhin scheint ja die Sonne. Das Wasser
glitzert. Der Horizont ist unverbaut.
MANN:
Nichts zu sehen. Steuerbord nichts, backbord
nichts.
FRAU:
Da schwimmt eine Möwe.
MANN:
Das ist ein Plastiksack.
FRAU:
Nein, jetzt putzt sie sich das Gefieder unter
dem Flügel.
MANN:
Dann ist es ein Albatros.
FRAU:
Du hast ja deine Brille gar nicht auf. Wo
ist denn deine Brille? Hast du die an Bord gelassen?
Sag bloß, du siehst jetzt nichts. Muss ich
jetzt alles alleine sehen?
MANN:
Ich hab Kontaktlinsen drin, reg dich nicht
auf.
FRAU:
Also was ist das jetzt?
MANN:
Ein Albatros, der schwimmt und mit dem Schnabel
unter seinem Flügel herumstochert.
FRAU:
Es ist ein Plastiksack.
MANN:
Wir sind jetzt vielleicht eine Stunde auf
diesem Schlauchboot, und du wirst schon hysterisch.
Wirst
du jetzt schon hysterisch? Das kann ja heiter werden.
FRAU:
Und was wird aus deinen Kontaktlinsen? Hast
du die Reinigungsflüssigkeit dabei und den Aufbewahrungsbehälter?
Spätestens in zwei Tagen werden sie so brennen,
dass du sie dir aus den Augen reißt.
MANN:
In zwei Tagen liegen wir in einer gemütlichen
Koje auf einem Fischkutter, der uns aufgelesen
hat.
FRAU:
Ich weiß nicht. Meinst du? Mein Gott. Eine
Stunde erst, sagst du, sind wir auf diesem Schlauchboot?
Es ist viel länger. Könnten es nicht
schon etliche Stunden sein? Wir haben keine Uhr.
MANN:
Das ist lächerlich. Man braucht keine Uhr,
wenn man ein Zeitgefühl hat und den Sonnenstand
beobachtet.
FRAU:
In zehn Tagen sollte ich wieder im Büro
sein.
MANN:
Das schaffen wir. Alle werden lachen und
dich bewundern.
FRAU:
Hast du nicht diesen schrecklichen Gerichtstermin
in zwei Wochen?
MANN:
Konnte nicht kommen, da schiffbrüchig
verschollen.
FRAU:
Und nach dir die Sintflut.
MANN:
Ich hinterlasse das Chaos.
FRAU:
Das Chaos hinterlässt uns. Und dann verschluckt
uns eine Welle und unsere Überreste hält
man für einen Plastiksack.
MANN:
Wir dürfen jetzt nicht morbid werden. Moral
ist alles. Wer geistig durchhält, hält
auch körperlich durch.
FRAU:
Jetzt tu doch nicht so. Es ist ja erst eine Stunde. Wir sind nicht am Verhungern und der Sonnenbrand
hält sich in Grenzen.
MANN:
Genießen wir es. Endlich keine Verpflichtungen.
Die vollkommene Erholung. Warten, bis ein Luxusdampfer
kommt und uns aufliest.
FRAU:
Kein Fischkutter?
MANN:
Ein Luxusdampfer mit einem Swimmingpool,
einem Fünf-Sterne-Koch und einem Heilmasseur.
FRAU (lacht):
Mit einem Frisiersalon?
MANN:
Klar. Mit einem Frisiersalon und einem Kosmetikstudio.
Alles da. Abends Disco.
FRAU:
Wenigstens bist du da. Wenn ich jetzt alleine
wäre, würde ich die Haare ins Wasser
halten und durchdrehen.