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Messer

Doch es ist gar nicht so sehr die Verfügbarkeit und Verformung der Seelen, die das ausgehende 20. Jahrhundert kennzeichnen: es ist die Verfügbarkeit und Verformung der Körper. Da gibt es Dinge, über die endlich, sagen wir, gesprochen werden darf. Weibliche Genitalverstümmelung etwa ist kein dunkles afrikanisches Geheimnis mehr, sondern wird im internationalen Licht angeprangert und beleuchtet. Doch während wir - zu Recht - solche Praktiken als barbarisch bezeichnen und abzuschaffen hoffen, überschmunzeln wir gleichzeitig das Ausmaß, in dem bei uns Messer die weiblichen Körper zerschneiden. Werden bei uns nicht Millionen von Brüsten aufgeschnitten und mit Säcken voll toxischer Chemikalien gefüllt? Und während wir uns - zu Recht - um den Verlust erotischer Empfindsamkeit beschnittener afrikanischer Frauen sorgen, gilt der Gefühlsverlust in den Brustwarzen, der infolge einer Brustoperation auftreten kann, als der der Optik zu opfernde Preis. Die Argumente gleichen sich: sowohl der "beschnittene" als auch der "schönheitsoperierte" weibliche Körper sieht, wird behauptet, "schöner" und "weiblicher" aus, wird daher von Männern vorgezogen. Auch die "Freiwilligkeit" ist die gleiche, überall verlangen Mädchen und Frauen gleichermaßen nach dem Messer, das sie so macht, wie die Gesellschaft sie wünscht. Und auch bei uns wird so mancher Eingriff schon von den Müttern initiiert, die ihren Töchtern wohlmeinend die Nasen abschneiden lassen, in der Annahme, dadurch hätten sie bessere Chancen auf einen Mann. Waris Dirie, deren Buch "Wüstenblume" einer der Bestseller des Jahres 1999 wurde, beschreibt die Körpergewalt beider Welten: als kleines Mädchen in der somalischen Wüste bat sie um ihre Beschneidung, nachdem sie immer wieder als "unrein" beschimpft worden war. Jahre später macht sie in den Modemetropolen des Westens als Model Karriere - und es geschieht etwas sehr Ähnliches. Diesmal wird sie von Fotografen und Modeschöpfern wegen ihrer "krummen Beine" beleidigt, bis sie sich schließlich an einen Schönheitschirurgen wendet. Er möge ihr doch, bittet sie ihn, diese ungestalten Beine brechen, damit sie sich ihrer nie wieder zu schämen braucht.

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